Jan Swart - Dichtwerke
Auf dieser Seite steht ab jetzt eine deutsche Übersetzung einer meiner Gedichte. Wenn ich Lust habe, füge ich noch mal weitere hinzu. Die Originale stehen hier.
Fremdgehen
Es war eines Abends;
das, was man einen normalen Abend nennt
als gäbe es auch andere, nicht-normale Abende,
die nicht näher spezifiziert werden-
aber genug davon: es war ein dunkler Abend
eine Regenfront vom Meer wälzte sich
im giftigem orangem Stadtlicht und wischte ihre
subtropische feuchte Luft über den Simonspolder.
Ich radelte entlang eines Kanals gegen den Wind.
-schwarze Wellen auf dem Wasser und durchbiegendes Schilf-
Ich war unterwegs: das heißt,
ich hatte etwas getan und würde etwas tun
und dazwischen lag eine gewisse Zeit
die schwarz war, und beleuchtet durch wild schwingende
Lanternen auf Lagerplätzen hinter Heras Abzäunungen,
das in nassen Klinkern gespiegelte Licht aus Wohnzimmern
einer verlorene Reihe alter Stadtshäuser auf dem Kai,
und die Scheinwerfer eines einzelnen Autos.
Da gab es die Möglichkeiten von Nebenstraßen,
und da gab es die Gewissheit des Kurses.
Da gab es die Unwahrscheinlichkeit eines Aufenthaltes,
und die fassbare Unmöglichkeit, etwas anderes zu sein, als
unterwegs: nicht wo ich war, nicht wo ich sein würde,
aber im Schwarzen dazwischen, auf einem sumpfigen Rasen
hinter Pappeln. Da gab es das Licht aus
einem Eckhaus, einen Tisch, und eine Stehlampe.
Da gab es die Gewissheit, daß ich dies nie
gesehen hatte, und die Gewissheit, dass ich dieses
Haus hier und jetzt, unzählig oft gesehen hatte. Da
alles war wie alle Häuser in der Dunkelheit. Da die Lampe,
die Vorhänge nirgends genau so waren. Da sie jemand
doch kennen müsste. Da das ganze Haus mir, wie gesagt,
fremd war wie mein eigenes Haus ist, um drei
Uhr in der Nacht, als ich die Treppe herunter komme mit Kopfweh,
bade im Neonlicht in der Küche, ein spätes Auto anhöre,
taste nach Paracetamol. Es stehen Äpfel auf unseren Geschirrtüchern.
Was meine ich dazu? Ich meine nichts dazu.
Ich weiß nicht, was auf unseren Geschirrtüchern steht.
Wegen des ganzen Hauses, im Schluss. Weil nichts mich
dieses Abends anwies, weil mir nie eine Fee
erschien, ich mir nie etwas wünschte, weil es
regnete und ich nass würde, im Schluss,
weil kein Riss im Himmel und kein Knick in der Zeit,
weil jede Schraube in dem surrenden Motor
eines jedes vorbeifahrendes Auto, Reifen auf nassem Asphalt,
in dieser Dunkelheit, weil jeder Gottvergessener Unterteil
in weiss-ich-wievielen Umdrehungen pro Minute, kein Mensch
würde es kontrollieren, in diesem Wetter, an seinem Platz blieb.
Darum, wegen des Schmerzes, wegen des Gefühls von nie wieder
und einmahl, wegen der Irrelevanz alles Übrigen
und von mir insbesondere, wegen der Austauschbarkeit,
um fremd zu gehen, wegen eines Begehrens definitiv
etwas entgegen zu laufen, wegen der Luft in meinen Lungen
und der Kälte in meinem Magen, deswegen legte ich mein Rad ins
nasse Gras zur Straßenseite und lief den Gartenpfad hoch, entschlossen
gedankenlos die Schlüssel in meiner Hosentasche befingernd;
achtete nicht auf Nahmenschilder oder Hausnummern,
versuchte alles zu vergessen und steckte
einen auf der Hand liegenden Schlüssel ins Schloss,
das sich jetzt logischerweise weigern sollte
aber in einem anderen Dasein
das mit diesem unserem völlig gleichwertig ist
öffnen würde, worauf ich meine Schuhe unter den Kleiderständer
austreten würde, und rufen würde:
Ich bin zu Hause!